Hallo, ich bin Sarah, und ich bin 20 Jahre alt, und ich komme aus Waldhäusern.
Kunst ist für mich so ein lebensbegleitender Aspekt. Es ist etwas, das mich überall inspiriert und fasziniert und ich finde es auch etwas sehr Verbindendes. Und ich finde gerade in einer Kultur, in einer Gesellschaft hat die Kunst einen hohen Stellenwert. Weil man gemeinsam anfängt zu diskutieren, zu reden, und Kommunikation ist etwas vom Wichtigsten.
Heute habe ich eine Begegnung mit einem Werk im Aargauer Kunsthaus.
Kommt ihr auch mit?
SARAH
Grüesech, ich würde gerne das Werk Kopf von Alexandra Meyer anschauen. Wo ist das genau?
EMPFANG DES MUSEUMS:
Guten Morgen. Das befindet sich im Untergeschoss. Vielen Dank, viel Vergnügen!
SARAH
Wir gehen jetzt über eine schwarze, geschwungene Wendeltreppe zum Kunstwerk hinunter.
Jetzt sind wir beim Kunstwerk angekommen. Es ist eine Videoinstallation und man sieht eine Frau, einen Frauenkopf gegenüber von, ich nehme jetzt mal an, es ist ein Schokoladenkopf. Und in verschiedenen Pausen schaut sie ihn an, betrachtet den Kopf, und fängt dann an den Kopf abzuschlecken und aufzuessen. Es wirkt auf den ersten Eindruck sehr irritierend. Es erweckt eine gewisse Art von Ekel in mir, aber gleichzeitig eine Faszination. Und es hat so etwas wie bei einem Horrofilm: Man will nicht wirklich hinschauen, und doch trotzdem schaut man durch die Finger darauf.
Und sie scheint in einer sehr intimen Situation zu sein, ganz mit sich allein. Ich glaube der Schokoladenkopf war ursprünglich auch ihr eigener Kopf – von der Form her.
Es wirkt auf die eine Art sehr nahe zu ihr, also sie scheint dem Schokolodenkopf, oder dem Moment sich selber sehr nah zu sein. Und gleichzeitig auch sehr distanziert, weil sie hat die Kontrolle über die ganze Situation.
Und es irgendwie auch eine gewisse Symbiose, die dort stattfindet. Eben auch weil man nicht so genau weiss, ob der Schokoladenkopf sie selber war ursprünglich. Und durch das, dass sie ihn aufisst und dass er langsam verschwindet und sie sich selber mit der flüssigen Schokolade einreibt – sie verschmelzen irgendwie miteinander. Und die ganze Stimmung ist sehr ambivalent. Es hat dieses sehr Sinnliche, und gleichzeitig etwas ruhig Gewaltvolles.
Das Werk heisst Kopf und ist von Alexandra Meyer. Es wurde 2012 realisiert als Full HD Video, mit Farbe und ohne Ton. Es ist eine Videoinstallation und dauert insgesamt 17 Minuten und 51 Sekunden.
Ich habe noch einige Fragen an Alexandra Meyer.
- Also die erste Frage, die mir in den Sinn kommt: wird ihr nicht übel?
- Ich frage mich, ob dies Alexandra Meyer selber ist?
- Ich frage mich, ob die Person, die den Schokoladenkopf abschleckt, was in dem Moment ihr durch den Kopf gegangen ist, wie sie sich gefühlt hat. Weil als Betrachter hat man ja vielleicht nochmals eine andere Wahrnehmung?
- Ich frage mich welche Aspekt sie am meisten begleitet haben auf dem Weg der Realisierung? Mit Aspekt meine ich, war es die Leidenschaft, war es der private Moment, oder war es das Eins-werden mit dem Moment?
- Also nochmals ein Eindruck: irgendwie wirkt es auf mich so als wäre sie mit ihrer eigenen Identität konfrontiert und als würde sie versuchen, diese aufzuessen. Und ich frage mich, ob dieser Eindruck wirklich so beabsichtigt war?
ALEXANDRA MEYER:
Hallo liebe Sarah! Es freut mich dass du dir Zeit genommen hast, die Arbeit “Kopf” im Aargauer Kunsthaus zu besuchen und dir Gedanken darüber zu machen. Deine Fragen werde ich sehr gerne beantworten.
Du hast gefragt, ob die Frau im Video ich selber bin. Und ja, ich habe dieses Video selber performt.
Und du hast mich weiter gefragt, welche Aspekt mich am meisten begleitet haben bei der Realisierung. Ich muss wohl etwas ausholen. Also es war ein längerer Prozess bis ich gewusst habe, dass ich eine Video-Performance machen möchte. Ich musste zuerst einen Abguss meines Kopfes herstellen, was sehr zeitintensiv war. Ich habe zuerst mit verschiedenen Materialien experimentiert. Und ich arbeite auch immer wieder mit Lebensmitteln, deshalb war es nicht von Anfang klar, dass ich einen Abguss aus Schokolade mache. Es hätte auch ein anderes Material sein können am Anfang.
Dann nehme ich gleiche eine weitere deiner Fragen, wo du wissen möchtest, was mir durch den Kopf gegangen ist und wie ich mich gefühlt habe während der Performance. Für die Aufnahme musste ich mich gut vorbereiten und konzentrieren. Die Aufnahme habe ich an einem Abend mit einer Kamera aufgenommen. Es musste ruhig sein. Und ich musste mich auf das Gegenüber, also auf die Schokolade-Skulptur, komplett einlassen und quasi wie in einen Dialog treten. Und während der Aufnahme ist mir nichts Spezielles durch den Kopf gegangen, sondern mir war mehr die Stimmung wichtig.
Und das beantwortet vielleicht eine weitere Frage von dir. Du möchtest wissen, ob es die Leidenschaft, der private Moment oder das Eins-werden mit dem Moment war, das mich begleitet hat. Also eigentlich kann ich sagen, dass alle drei Aspekte wichtig waren. Eben diese Stimmung, die mir wichtig war, die mich interessierte bei dieser Arbeit.
Und ob es mich übel wurde? Zum Glück nicht! Aber ich mag mich erinnern, dass ich dann nach den Aufnahmen eine Zeit lang keine Lust auf Schokolade hatte. Weil ich wie eine Art “Overdose” hatte. Das weiss ich noch.
Und bei deiner letzten Frage, wolltest du wissen, ob ich mich bewusst mit meiner eigenen Identität konfrontieren wollte und dies auch aufessen wollte? Ob dieser Eindruck beabsichtigt war? Nein, also, ich wollte nicht ein spezifisches Thema, das ich mit dem Video vermitteln wollte. Es war, wie bereits mehrmals erwähnt, diese ambivalente Stimmung, die mich interessiert hat. Und diese Ambivalenz hast du ja auch so schön geschildert beim Betrachten des Videos. Und ich glaube diese Arbeit greift verschiedene Aspekte auf und knüpft an verschiedenen Punkten an. Mehrere Themen können sich in dieser Stimmung befinden. Und es kann in verschiedene Richtungen gehen. Und eben man ist hin- und hergerissen, das kann ich auch sehr gut nachvollziehen. Eben dieses, was du auch gesagt hast, den Ekel und auch diese Anziehung. Dies ist etwas, dass immer wieder in meiner Arbeit vorkommt, das ich auch interessant finde.
Ich hoffe ich konnte dir mit meinen Antworten etwas weiterhelfen. Es hat mich gefreut über die Arbeit Kopf zu erzählen. Ich hoffe du wirst noch viel Freude an der Kunst haben. Und noch viele tolle Arbeiten antreffen, die dir in Erinnerung bleiben, an welche du gerne denkst.
Ich wünsche dir alles Gute.
Ciao Sarah!
°°
"ART'S COOL" oder "Art is cool"!
Dies ist eine Begegnung mit einem zeitgenössischen Kunstwerk in der Schweiz, betrachtet, erkundet, und hinterfragt von jungen Menschen. Auf die Fragen der Jugendlichen geben wiederum die Künstlerin oder der Künstler auf ihre Weise eine Antwort. Ganz einfach, nicht?
Heute ging es um "Kopf", ein Kunstwerk vonAlexandra Meyeruntersucht vom neugierigen Blick von Sarah.
Verpasse nicht das Kunstwerk in Wirklichkeit selber zu entdecken, im Aargauer Kunsthaus, noch bis zum 24. April.... Warten Sie nicht zu lange!
Und sammle zeitgenössische Kunst mit deinen Ohren! Triff fast jede Woche auf eine neue Episode um deine eigene Sammlung zu komplettieren – jedes Mal mit einem anderen Fokus zu einem Kunstwerk in der Schweiz.
Du findest alle Portraits der jugendlichen Fans der zeitgenössischen Kunst, die Kurzbiographien der interviewten Künstlerinnen und Künstler und die Bilder der Werke auf der Webseite artscool.ch/de.
Falls du zur Verbreitung des Podcasts ART’S COOL beitragen möchtest, zögere nicht… in deinem Umfeld darüber zu sprechen, den Podcast auf deiner bevorzugten Plattform zu abonnieren und mit fünf Sternen zu bewerten
Du kannst uns auch auf Instagram folgen unter dem Account young_pods.
Der Podcast ART’S COOL wird realisiert und ausgestrahlt mit der grosszügigen Unterstützung der Loterie Romande, Pro Helvetia, der Fondation Gandur pour la Jeunesse, der Ernst Göhner Stiftung, der Oertli-Stiftung, der Sandoz-Familienstiftung und dem Migros-Kulturprozent.
Mit der Stimme von Florence Grivel in der französischen Version und Stephan Kyburz in der deutschen Version.
Musik and Sounddesign von Christophe Gonet.
Dies ist eine Produktion Young Pods.