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Nick & Gerda Steiner / Jörg Lenzlinger

Foyer, Aargauer Kunsthaus: Nick hat ein Rendezvous mit dem Werk "Wucher" von Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger. Er fragt sich, ob tatsächlich etwas Lebendiges in dem Terrarium zu finden ist.
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MINIPORTRÄT DER / DES JUGENDLICHEN

Name: Nick
Alter: 20 Jahre

Deine/Ihre Lieblingszeit? Im Sommer um 8 oder 9 Uhr, wenn die Abendstimmung da ist, aber die Sonne noch nicht untergeht.
Was ist der Duft der Freude? Im Frühling, wenn man das erste Mal nach dem Winter die frische Natur riechen kann.
Was ist dein/Ihr Lieblingsversteck? Die Nacht.

MINIPORTRÄT DER / DES JUGENDLICHEN

Name: Nick
Alter: 20 Jahre

Deine/Ihre Lieblingszeit? Im Sommer um 8 oder 9 Uhr, wenn die Abendstimmung da ist, aber die Sonne noch nicht untergeht.
Was ist der Duft der Freude? Im Frühling, wenn man das erste Mal nach dem Winter die frische Natur riechen kann.
Was ist dein/Ihr Lieblingsversteck? Die Nacht.

MINIPORTRÄT DES KÜNSTLERS / DER KÜNSTLERIN

Name: Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger
Geburtsjahr: (*1967 / *1964)

Deine/Ihre Lieblingszeit? Gerda: Am frühen Morgen wenn es gerade hell wird. / Jörg: Wenn die Sonne scheint.
Was ist der Duft der Freude? Gerda: Vanille. / Jörg: Der Garten in der Sonne.
Was ist dein/Ihr Lieblingsversteck? Gerda: Die Hecke: zwischen Weissdorn, Mehlbeere und Hagebutten. / Jörg: Der Garten.

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Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger, Wucher Gerda Steiner / Jörg Lenzlinger

Künstler*in: Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger (*1967 / *1964)
Titel des Werks: Wucher
Jahr: 2003
Technik: Installation aus verschiedenen Techniken
Dimensionen:
Ausstellungsort: Aargauer Kunsthaus, Aargauerplatz, 5001 Aarau

MINIPORTRÄT DES KÜNSTLERS / DER KÜNSTLERIN

Name: Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger
Geburtsjahr: (*1967 / *1964)

Deine/Ihre Lieblingszeit? Gerda: Am frühen Morgen wenn es gerade hell wird. / Jörg: Wenn die Sonne scheint.
Was ist der Duft der Freude? Gerda: Vanille. / Jörg: Der Garten in der Sonne.
Was ist dein/Ihr Lieblingsversteck? Gerda: Die Hecke: zwischen Weissdorn, Mehlbeere und Hagebutten. / Jörg: Der Garten.

Transkript der Episode

Hoi miteinander! Ich bin Nick, ich komme aus Aarau. Ich bin 20 Jahre alt.

 

Die Kunst ist für mich ist eigentlich etwas – also in der Schule lernt man immer die 5-W-Fragen in der Kunst anzuwenden, also wann etwas gemacht worden ist, wo etwas gemacht worden ist, und so weiter – und dies ist für mich eigentlich überhaupt nicht wichtig, sondern für mich ist Kunst immer eine Aussage es ist immer ein Statement. Und für mich ist es viel mehr auch nicht mal die Frage, was diese Aussage ist, sondern einfach diese Aussage wahrzunehmen, und zu schauen, was diese Aussage mit einem selber macht. Und dies ist für mich auch der Sinn der Kunst überhaupt. Und dann ist es auch häufig so, dass wenn ich eine Aussage eines Werks nicht spüre, ich dann halt auch ab und zu einfach vorbei gehe. Und dann gibt es Werke, bei denen ich finde, hier spüre ich etwas wirklich Starkes, und dann bleibe ich länger bei dem Werk. Und ich finde, jede und jeder sollte dies selber erfahren und spüren und nicht einfach direkt von einem Medium etwas darüber lernen.

 

Heute habe ich ein Rendezvous mit einem Werk von Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger in Aarau. Kommt ihr auch mit?

 

NICK: Wir sind jetzt direkt vor dem Kunsthaus in Aarau und dieses ist quasi gleich am Ende der Aarauer Bahnhofstrasse. Und jetzt gehen wir ins Kunsthaus hinein, ins Foyer, und betrachten das Werk doch einfach mal.

Jetzt sind wir gerade hineingekommen und ich habe das Werk gleich gesehen. Und es ist nämlich lustig, weil ich schon von klein auf immer wieder im Kunsthaus war mit meinen Eltern am Sonntagmorgen beim Kaffee trinken. Und bereits als ich noch ein kleiner Bub war, fand ich dieses Werk sehr interessant, weil es so aufgebaut ist, wie ein Terrarium. Und welcher kleine Bub oder welches kleine Kind hat nicht gerne so Terrarien oder so zoo-mössige Sachen? Und ich habe mich damals schon gewundert, was es genau ist.

Es sieht so aus, als wäre es etwas verschimmelt, so Kalkablagerungen. Und es hat für mich etwas wie von einem Korallenriff, ohne dass es Wasser drin hat. Für mich sieht es so aus, also in der MItte des Glasdreiecks, in dem es drin ist, hat es wie einen grossen, grünen Ball und aus diesem heraus kommen ganz viele Dinge heraus: kleine Stecklein und so. Und dieser sieht fast etwas schwebend aus. Und es erinnert mich an eine schwebende Insel und darunter ist eine weisses Kiesbett, so es Zahnstocher, und so ein Ei, das in einer Höhle versteckt ist. Und es errinert einem fast etwas an ein Wimmelbild – also es ist so wie ein “Wo ist Walter?”-Bild. Oder eine Zeichnung, wo ganz viele einzelne Dinge drin sind, wo man sich ewigs darin verlieren kann. Und an das erinnert mich dieses Werk.

Das Werk heisst “Wucher” und es ist, wie schon erwähnt, von Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger und es befindet sich im Foyer des Aargauer Kunsthauses. Und es wurde 2003 realisiert. Und das Werk ist eine Installation aus vielen verschiedenen Techniken. Ich habe nun noch ein paar Fragen an das Künstlerduo, an Gerda Steiner und an Jörg Lenzlinger.

GERDA STEINER: Hoi Nick, hier sind Gerda und Jörg. Wir haben den ersten Schnee heute in Langenbrugg oben. Es ist Sonntagmorgen. Wir schauen den Schneeflocken zu, wie sie herunterfallen, sitzen vor dem Holzfeuer und hören deine Fragen. Es ist sehr schön, wie sorgfältig du hinschaust und denkst.

NICK: Und zwar nimmt es mich sehr Wunder, aus was für Materialien die mittlere Ballung oder Rundung entsteht. Es sieht für mich aus wie etwas Salziges, oder nach einem Pilz aus. Und es nimmt mich sehr Wunder, was es ist und wie man es erhalten muss, oder erhalten kann seit 2003, also rund 20 Jahre ist das hier so in diesem Glasgefäss. Ja, dies nimmt mich einfach Wunder.

JÖRG LENZLINGER: Da können wir vielleicht gerade eine Verbindung machen von den Schneeflocken zu deiner Frage: die Schneeflocken sind ja eigentlich Kristalle, also Wasser, das durch Kälte kristallisiert wurde. Was du siehst in der Vitrine ist ebenfalls durch einen Kristallisationsprozess entstanden. Und zwar durch ein Verdunsten von einer Lösung und es ist eine Lösung, die mit Kunstdünger angereichert ist. Und mit dem wird der Wucher gefüttert.

NICK: Also für mich sieht dieses Werk so aus, als würde es leben oder als würde es sich verwandeln, als Stünde es direkt im Wandel. Und das kommt vielleicht daher, dass so viele natürliche Elemente drin hat, oder Elemente, die einem an natürlich Elemente erinnern, oder einfach Dinge, die wir aus unserer Natur kennen an die wir uns wie gewöhnt sind, dass sie immer im Wandel sind.

Mich nimmt es auch noch Wunder, ob irgendetwas Lebendiges in dem Terrarium drin ist, weil es wirkt schon als würde sich der Wucher in der Mitte ausbreiten, als wäre es etwas Pilzartiges, oder fast etwas Giftiges.

GERDA STEINER: Du hast das richtig gesehen, das grüne Material in der Mitte der Vitrine, da ändert sich ständig und es ist am wachsen. Wir würden dir gerne mal eine Foto zeigen, wie es vor 20 Jahren ausgesehen hat, weil dazumal war es eher wie ein kleines Nest, als wir dieses Haustier für das Kunsthaus herangezüchtet haben.

JÖRG LENZLINGER: Und diese Frage von was ist lebendig und was ist nicht lebendig finden wir wirklich auch sehr interessant, weil der Kunstdünger, der auskristallisiert, der wächst ja. Und jetzt, wenn etwas wächst, kann man dem sagen, dass es tot sei? Also Kristalle im Allgemeinen werden natürlich als tote Materie betrachtet. Aber für uns ist es durchaus etwas Lebendiges und uns interessieren natürlich auch noch die weiteren Zusammenhänge, was der Kunstdünger weltweit bewirkt. Also wie der einfliesst in unsere Nahrung. Schliesslich sind wir hier gleich neben der Küche. Und am Anfang war unsere Grundidee, dass der Wucher dann die Küchenabfälle gefüttert bekommen würde.

GERDA STEINER: Nebst der materiellen Nahrung braucht der Wucher, dieses Haustier, natürlich auch sehr viel Aufmerksamkeit und wiederkehrende Besucher.

NICK: Eine weitere Frage, die ich an das Künstlerduo zu dem Werk habe, ist, wie diese Anordnung zustande gekommen ist. Ob es ganz intuitiv gekommen ist und quasi Stück für Stück, also wenn man zuerst mal ein Steinchen dort platziert hat, hat man empfunden, das passt dort ganz gut hin. Und es hat auch eine kleine Spinne, die so aussieht, als wäre sie im Nachhinein hingelegt worden, die fast etwas heraussticht, aber trotzdem so verschwindet. Und die Frage ist konkret, ob alles intuitiv gekommen ist, ob es ganz akribisch geplant wurde, dass genau dort das eine Steinchen platziert wird, und dort die Plastikblume.

GERDA STEINER: Wenn wir etwas installieren, dann ist dies immer eine Improvisation. Wir wissen zwar grob, was wo hinkommen soll, die wichtigsten Dinge, in etwa die Grösse, aber dann beginnt es eigentlich von alleine zu wachsen und sich selber weiterzuentwickeln. Es hat so eine Eigendynamik, wenn wir arbeiten.

JÖRG LENZLINGER: Diese Installation ist ja speziell für dieses Museum und für dieses Foyer entstanden. Also für uns ist auch wie ein Bild für dieses Haus, dass in diesem Haus etwas Lebendiges passiert, dass sich hier auch Sachen ansammeln. Dass hier auch Kostbarkeiten sind. Goldige Eier, die man eben noch ausbrüten muss. Also wir suchen immer noch das entsprechende Weibchen für den Wucher, welches das goldige Ei ausbrüten würde.

NICK: Also auf mich wirkt das Werk, weil es so viele Plastikelemente hat, aber auch viele natürliche Elemente, also zum Beispiel eine Buchennussschale oder ein ausgetrockneter Ast, der irgendwo hängt. Und dieser Mix dieser vom Menschen geschaffene Materialien und diese natürlichen Materialien finde ich mega spannend. Für mich wirkt es fast so wie eine Aussage einer überwachsenen Welt, wie auch vielleicht der Titel anspricht. Ob es in Richtung der Thematik des Klimawandels geht. Oder vielleicht nicht in Richtung Klimawandel sondern mehr allgemein in Richtung des Impacts, den der Eingriff des Menschen in unsere Welt hat. Dass es eine natürliche Szene darstellt, aber dann auch sehr viele menschengemachte Elemente drin sind.

JÖRG LENZLINGER: Schon seit Anfang unserer Zusammenarbeit interessiert uns dieses Spiel, was ist echt, was bezeichnet man als künstlich. Unterdessen sind ja sogar Vogelnester so, dass die Vögel sammeln, was sie brauchen können. So findet man zum Beispiel Vogelnester, die “Videotapes” eingebaut haben, oder irgendwelche Kunstfasern, die sie irgendwo finden. Und dies finden wir eigentlich ganz normal. Dass das, was die Menschen gemacht haben, schlussendlich auch zum Naturbegriff dazugehört, weil sonst würden wir uns ja ausgrenzen, was auch etwas seltsam ist, weil wir werden der Natur nie entkommen.

GERDA STEINER: Wir werden der Natur nie entkommen, weil wir voll mit dem Zeug sind: voll von Zellen, voll von Viren, Bakterien, voll von Leben, voller Energie. Wir kommen und wir gehen von dieser Welt. Und in dieser Zeit, als diese Vitrinen entstanden sind, waren die Begriffe der Biodiversität und Nachhaltigkeit sehr wichtig.

JÖRG LENZLINGER: Zum Beispiel ist ja der Kunstdünger ein Kind der sogenannten grünen Revolution. Das war vor etwa 50 Jahren, als man das Gefühl hatte, als der Kunstdünger das erste Mal industriell in grossen Mengen produziert und auf die Felder gekommen ist. Und man hatte das Gefühl, jetzt haben wir die Probleme der Welt gelöst, jetzt können wir alle ernähren und es wird wunderbar. Bis man dann gemerkt hat, dass es mit dem Kunstdünger natürlich auch seine Grenzen hat und dass man auch Probleme verursacht, mit dem Boden, oder eben auch, dass der Kunstdüngers sehr viel fossile Energie braucht, um ihn überhaupt produzieren zu können.

GERDA STEINER: Nick, wir wünschen dir ein aufregendes, wildes Leben voller Überraschungen. Und dass du trotzdem immer Zeit hast ganz sorgfältig zu beobachten und zu denken.

 

°°

ART'S COOL oder "Art is cool"!

Dies ist eine Begegnung mit einem zeitgenössischen Kunstwerk in der Schweiz, betrachtet, erkundet, und hinterfragt von jungen Menschen. Auf die Fragen der Jugendlichen geben wiederum die Künstlerin oder der Künstler auf ihre Weise eine Antwort. Ganz einfach, nicht?

In dieser zweiten Saison lädt unser Podcast dich ein, Werke ausserhalb der üblichen Ausstellungsorte zu besuchen, meistens im Freien! Fast jede Woche entdecken wir gemeinsam eine künstlerische Schöpfung, die irgendwo in der Schweiz im öffentlichen Raum zu finden ist.

Heute ging es um Wucher von Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger, untersucht vom neugierigen Blick von Nick. Verpasse nicht, das Kunstwerk in Wirklichkeit selber zu entdecken, und zwar im Foyer des Aargauer Kunsthauses in Aarau.

Sammle zeitgenössische Kunst mit deinen Ohren! Die Webseite artscool.ch/de präsentiert alle Episoden, die seit Herbst 2021 ausgestrahlt wurden. Eine vielfältige und wachsende Sammlung! Ausserdem findest du dort alle Portraits der jugendlichen Fans der zeitgenössischen Kunst, die Kurzbiographien der interviewten Künstlerinnen und Künstler und die Bilder der Werke.

Falls du zur Verbreitung des Podcasts ART’S COOL beitragen möchtest, zögere nicht… in deinem Umfeld darüber zu sprechen, den Podcast auf deiner bevorzugten Plattform zu abonnieren und mit fünf Sternen zu bewerten. Du kannst uns auch auf Instagram folgen unter dem Account young_pods.

Der Podcast ART’S COOL wird realisiert und ausgestrahlt mit der grosszügigen Unterstützung der Loterie Romande, dem Migros-Kulturprozent, der Oertli-Stiftung, der Sandoz-Familienstiftung, den Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Bern, Genf, Glarus, Graubünden, Obwalden, Sankt Gallen, Solothurn, Thurgau, Waadt, Wallis, Zug, Zürich, und den Städten Winterthur, Yverdon-les-bains, Zug und Zürich.

Mit der Stimme von Florence Grivel in der französischen Version und Stephan Kyburz in der deutschen Version.
Musik and Sounddesign von Christophe Gonet.

Dies ist eine Produktion Young Pods.