Hoi, ich bin Marlene. Ich bin vierzehn Jahre alt und wohne in Zürich, im Kreis 10.
Kunst bedeutet für mich vor allem Musik. Und früher war ich oft mit meinem Vater in Kunstmuseum, weil er hat sehr gerne Kunst und verschiedene Künstler.
Heute treffe ich auf ein Kunstwerk von Alex Hanimann in Zürich. Kommt ihr auch mit?
MARLENE Wir befinden uns in Zürich im Industriegebiet beim Toni-Areal. Heute ist eigentlich sehr schönes Wetter, es ist halt noch Winter, darum ist es ziemlich kalt. Aber der Frühling kommt langsam. Wir sind jetzt beim Kunstwerk. Es ist ein Frau, die etwa drei Mal so gross ist wie die Wirklichkeit. Sie hat eine grosse Tasche. Und das ganze Material sieht so aus wie Aluminium oder Metall. Wahrscheinlich ist es nicht Silber. Und sie ist sehr normal gekleidet. Wahrscheinlich Jeans, Schuhe, eine Jacke. Und sie hat ihre Haare zu einem “Toute” zusammengebunden und sie trägt Bücher in der Hand wahrscheinlich.
Das Werk “Anne-Sophie” von Alex Hanimann befindet sich auf dem Platz vor dem 25-hours Hotel an der Pfingstweidstrasse 102 in Zürich. Es wurde 2012 installiert. Es ist eine Plastik aus Chromstahl. Ich habe nun noch einige Fragen an den Künstler Alex Hanimann.
ALEX HANIMANN: Hoi Marlene, es ist ganz toll, dass du dich für meine Arbeit interessiert und ich sage dir gerne ein paar Sachen dazu und deine Fragen gerne beantworten.
MARLENE Ja, also meine Frage ist, wer ist eigentlich “Anne-Sophie”? Ist sie eine Person, die wirklich gelebt hat? Wie alt ist sie? Für mich sieht sie sehr jung aus. Was soll sie darstellen?
ALEX HANIMANN: Ja, Anne-Sophie ist tatsächlich eine reale Person. Sie hat, als ich die Arbeit gemacht habe, an der ZHDK studiert. Sie hat Violine studiert, Solo-Instrument. Sie ist aus einem Casting ausgewählt worden, das ich gemacht habe, für welches sich mehrere Studierende beworben haben. Da habe ich mich am Schluss für Anne-Sophie entschieden, mit ihr diese Skulptur zu machen. Sie ist dann noch während der Entstehung der Arbeit nach Berlin umgezogen und hat dann in Berlin weiterstudiert. Und ich habe sie jetzt etwas aus den Augen verloren. Und dort hat es auch einen schönen Zufall gegeben mit dem Namen, dass nämlich eben Anne-Sophie, die Violine studiert, ein ganz berühmtes Vorbild hat, mit Anne-Sophie Mutter, der berühmten Geigerin.
MARLENE Also diese silbrige Figur passt ja eigentlich gar nicht ins Umfeld. Wie ist man auf die Idee gekommen, eine Plastik aus Chromstahl benutzt. Ich meine, Metall würde schon natürlicher aussehen, aber so sticht es mega heraus, hier aus der Umgebung.
ALEX HANIMANN: Diese Idee mit dem Chromstahl ist so im Entstehungsprozess gekommen. Als ich diese Arbeit angedacht habe, dann war diese Skulptur Polychrom farbig. Und dann habe ich mir überlegt, dass diese Figur nicht zu stark ein Individuum sein soll, sondern dass sie wie prototypisch und allgemein werden soll. Dann bin ich auf diese Chromstahl-Oberfläche gekommen, die spiegelt. Dass sozusagen die Leute, die vor der Figur stehen, sich darin spiegeln und ein Stück weit auch zu dieser Figur werden können. Dass sich so wie eine Verbindung zwischen der Betrachterin oder dem Betrachter und der Skulptur ergibt. Und mit diesem monochromen und auch diesem Verfremden, dass dieses Material produziert, dieser Chromstahl, dass es individualisiert wird.
MARLENE Ich meine, diese Figur ist ja mega gross. Es war sicher schwierig, diese herzustellen. Ich frage mich jetzt, ob es ein Guss ist.
ALEX HANIMANN: Die Figur ist nicht wahnsinnig schwer, muss ich gleich sagen, weil die Figur ist kein Guss. Die Figur ist innen drin hohl. Sie besteht aus einer relativ dünnen 2-3 Millimeter dicken Chromstahlwand und hat darin eine Art Konstruktion aus Stahl, um die ganze Figur zu stabilisieren und dann auch für die Montage, für die Platzierung auf dem Platz sie stabil machen zu können.
MARLENE Eine Frage an den Künstler selber wäre, ob dies sein erstes Kunstwerk in dieser Art ist?
ALEX HANIMANN: Diese Figur hat eine Vorgeschichte. Ich konnte hier bereits auf das Know-how zurückgreifen können von einer ersten Skulptur, die ich vor dieser gemacht habe, die von der Art her ganz ähnlich war. Das heisst, ich habe einen Kunst am Bau Wettbewerb gewonnen für ein Gymnasium. Das Gymnasium im Rheintal in Heerbrugg wurde umgebaut und die Architekten haben eine grosse Eingangshalle geplant. Und die Idee war dort, dass in dieser Eingangshalle ich ein Zeichen setzen wollte, dass die Schülerinnen und Schüler das Zentrale an einem solchen Ort sind. Und dann bin ich auf die Geschichte gekommen, eine Schülerin dort zu platzieren. Auch dort kam natürlich dann dieser Denkprozess zum ersten Mal in Gang mit der Frage: wie soll diese Figur sein, eben mit dem Monochromen, dass sie so prototypisch wird für eine Schülerin von dort. Und auch mit dem Spiegeln, dass sich die Schüler selbst damit identifizieren und spiegeln können in der Figur.
MARLENE Und wie lange hat es gedauert? Und mit wem hat er zusammengearbeitet? Wahrscheinlich hat er es nicht alleine gemacht.
ALEX HANIMANN: Als ich diese Figur geplant habe, als ich das Projekt so angedacht habe, und dann für den Wettbewerb ein Dossier gemacht habe, bin ich zu Felix Lehner, der die Kunstgiesserei in St. Gallen leitet. Und ich habe mit Felix geredet und diskutiert, ihm von dieser Idee erzählt. Und meine anfängliche Idee war eigentlich, dass man eine verchromte Figur macht. Und er hat mir dann geholfen. Und er meinte dann, dass dies schwierig sei. Man kann nicht so grosse Teile verchromen. Und dann sind wir auf diese Technik des 3D-Scannens gekommen, die damals noch ganz in den Kinderschuhen steckte, und diesem Treiben für die Umsetzung. Und wir haben dann für die erste Figur diesen 3D-Scan in Österreich gemacht. In der Schweiz gab es niemanden, der das machen konnte. Und die Figur selber ist dann in China getrieben worden. Der 3D-Scan ist dann in St. Gallen, das konnten sie damals schon machen, gefräst worden, aus so Styroporblöcken in Teilen. Dann haben wir sie zusammengesetzt und leicht überarbeitet. Und dann ist diese Styropor-Mutterfigur dann nach China in einem Container verschifft worden. Und dort haben sie dann, bevor sie angefangen haben zu treiben, eine Art Schnittmuster über die Figur gelegt, also haben sie wie in Teilflächen aufgeteilt, die Oberfläche. Das waren etwa 700 Teilflächen. Dann haben sie Fläche um Fläche abgepaust mit einem Papier und dann aus einem Chromstahlblech leicht vergrössert geschnitten, und dann mit Hämmer auf solche Schablonen, so runden Formen, dann so quasi in die Form gehämmert. An der Figur wieder überprüft, zusammengesetzt mit einer Nachbarsform. Und so ist diese Figur langsam so gewachsen und an der Oberfläche zusammengeschweisst worden. Und am Schluss poliert.
Ja, Marlene, wie gesagt, vielen Dank nochmals, dass du dich überhaupt für meine Skulptur interessiert hast. Du hast sehr gute Fragen gestellt und ich glaube, ich hoffe, ich habe dir mit diesen Antworten etwas sagen können zu deinen Fragen, damit du nun auch ein bisschen Bescheid weisst über die Entstehung und über die Hintergründe dieser Skulptur.
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ART'S COOL oder "Art is cool"!
Dies ist eine Begegnung mit einem zeitgenössischen Kunstwerk in der Schweiz, betrachtet, erkundet, und hinterfragt von jungen Menschen. Auf die Fragen der Jugendlichen geben wiederum die Künstlerin oder der Künstler auf ihre Weise eine Antwort. Ganz einfach, nicht?
In dieser zweiten Saison lädt unser Podcast dich ein, Werke ausserhalb der üblichen Ausstellungsorte zu besuchen, meistens im Freien! Fast jede Woche entdecken wir gemeinsam eine künstlerische Schöpfung, die irgendwo in der Schweiz im öffentlichen Raum zu finden ist.
Heute ging es um das Kunstwerk "Anne-Sophie" von Alex Hanimann, untersucht vom neugierigen Blick von Marlene. Verpasse nicht, das Kunstwerk in Wirklichkeit selber zu entdecken, und zwar auf dem Platz vor dem 25hours- Hotel an der Pfingstweidstrasse 102 in Zürich.
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Mit der Stimme von Florence Grivel in der französischen Version und Stephan Kyburz in der deutschen Version.
Musik and Sounddesign von Christophe Gonet.
Dies ist eine Produktion Young Pods.