Hallo miteinander, mein Name ist Corrie. Ich bin sechzehn und ich komme hier von Winterthur.
Mit Kunst verbinde ich normalerweise Sachen, egal ob es ein Gegenstand ist oder nicht, einfach etwas, das ich mit Gefühlen oder irgendetwas in Verbindung bringen kann. Also dazu gehört auch Musik oder auch etwas Gegenständliches wie ein Gemälde, aber auch Schriftstücke im Allgemeinen.
Heute schauen wir uns ein Werk an von Christoph Hearle. Kommst du auch mit?
CORRIE: Wir sind jetzt gerade bei der Kantonsschule Büelrain. Ich bin mit dem Velo hierhin gefahren. Und momentan stehen wir gerade bei der Ecke der Turnhalle und weiter links von mir ist das Hauptgebäude und zwischen der Turnhalle Büelrain und dem Hauptgebäude steht das Werk von Christoph Haerle. Wir sind jetzt hierhin gegangen und man kann das Werk fast nicht übersehen, weil, im Vergleich zum Schulhaus, das grau ist, ist die Farbe des Würfels, dem Werk von Christoph Hearle, neon-orange-rot, durchsichtig. Und es fällt sehr schnell auf, auch weil es ziemlich gross ist. Und es ist wie ein Brunnen. Es gibt nämlich eine Schräge, wie schon beschrieben, von der Turnhalle zum Hauptgebäude. Und der Würfel ist auch in dieser Schräge, hinunterlehnend und es fliesst Wasser aus der einen Ecke hinunter in eine Gitter, wo es dann im Boden versinkt.
Ich finde es eigentlich ziemlich cool, weil es wirklich etwas ist, das einem wirklich gerade ins Auge sticht. Und auch mit dem Wasser hat es etwas Spezielles, und es gibt eine Ruhe. Und es ist ein Kontrast zwischen der sehr auffälligen Farbe und dem Wasser, das ich persönlich eher beruhigend finde. Und ich finde, es ist ziemlich cool, das es im Zusammenspiel mit den Gebäuden, weil es einfach etwas komplett Anderes ist. Aber die reine Form passt zum Büelrain, weil das Büelrain auch eckig ist, aber es gibt noch einen “Pepp” dazu.
Das Werk heisst “Wasserskulptur” oder “Brunnen” und es ist, wie bereits erwähnt, von Christoph Haerle gefertigt worden. Und es ist beim Neubau der Kantonsschule Büelrain, die sich an der Rosenstrasse 1 in Winterthur befindet. Es wurde 2019 erstellt. Und das rot-neon Material ist aus Plexiglas gefertigt. Schätzungsweise ist das ganze so um die zwei Meter, und weil es ein Würfel ist, sind alle Seiten so um die zwei Meter. Ich habe nun noch einige Fragen an Christoph Hearle.
CHRISTOPH HEARLE: Hoi Corrie, hier ist Christoph. Du hast meinen Brunnen angeschaut bei der Kantonsschule Büelrain und als erstes hast du dich zum Titel “Wasserskulptur, Brunnen” geäussert. Die Arbeit heisst nicht Wasserskulptur, sondern diese Arbeit heisst – und so ist sie auch angeschrieben – “Bei Rebekka”. Wieso sie “Bei Rebekka” heisst, da hat es verschiedene Bezugspunkte. Einer ist, dass es ein sehr schönes Bild gibt aus der MItte des 17. Jahrhunderts, von einem französischen Maler, der Poussin heisst. Und er hat ein Bild gemalt, das eben “Bei Rebekka” oder “Eliézer et Rebecca” heisst. Und auf diesem Bild, es handelt von einer Szene bei einem Brunnen, sieht man eine ihrer Dienerinnen, wie sie eine Amphore schräg kippt und aus dieser Wasser fliesst . Genau dieser Wasserstrahl, dieser satte grosse Strahl, der hat mich fasziniert. Und diesen habe ich auch als Bild gebraucht, wie ich meinen gekippten Würfel in Winterthur gestalten wollte. Die Geschichte von Rebekka ist eine Geschichte aus dem Alten Testament, aus dem ersten Buch Moses, also aus der Genesis. Und es ist die Geschichte, wie Abraham für seinen Sohn Isaak eine Frau suchen lässt. Du kannst das dort nachlesen. Dort kommt dann eben diese Rebekka vor. Und Rebekka bietet dem Diener, der den Auftrag von Abraham ausführt, Wasser an für ihn wie auch für seine Kamele. Also eine Geste der Grosszügigkeit und der Gastfreundschaft. Und dies ist auch ein Motiv, dass in diesem Brunnen oder in dieser Wasserskulptur eine Rolle spielt und die ich deshalb verwendet habe.
CORRIE: Und zwar die erste Frage ist, was genau der Gedanke hinter dieser Farbe war, weil es ja doch etwas ziemlich Intensives ist.
CHRISTOPH HEARLE: Ich habe eine starke, leuchtende Farbe gesucht. Zum Kontext: zwischen diesen zwei Häusern, beide sehr stark in Grau gehalten. Der Neubau, eine strenge, repetitive Architektur. Und ich empfand einen solchen Akzent zwischen diesen Gebäuden sicher ein guter Beitrag für diesen Ort. Das hast du völlig richtig gelesen.
CORRIE: Und die zweite Frage ist, wie das Wasser, das im Boden durch das Gitter versickert, wieder nach oben kommt und wieder neu hinab fliessen kann. Also gibt es da irgendeine Pumpe, oder ob es einfach Wasser von der Eulach oder vom Mattenbach ist, der hier durchfliesst. Ob das Wasser von dort ist, und wie genau diese funktioniert.
CHRISTOPH HEARLE: Es ist so, dass diese Wasserskulptur im Keller dieser neuen Schule einen Brunnenstube hat. Und diese Brunnenstube wälzt dieses Wasser um. Das heisst, es wird nur immer wenig frisches Wasser in Umlauf gebracht, damit die Kosten des verbrauchten Wassers relativ tief sind. Das Ganze ist effektiv ein Umwälzsystem, weil doch gegen 200 Liter pro Minute über diese Kante beim Wasserwürfel abfliessen. Und dies wäre sonst ein viel zu grosser, intensiver Wasserverbrauch.
CORRIE: Ich möchte auch noch gerne wissen, warum gerade die Kantonsschule Büelrain für dieses Werk ausgesucht worden ist.
CHRISTOPH HEARLE: Zu deiner Frage, warum gerade die Kantonsschule Büelrain für dieses Kunstwerk ausgewählt worden ist, kann ich so nicht beantworten, weil der Weg dahin war anders. Es war ein “Kunst am Bau”-Wettbewerb, bei dem ein Standort der Aussenraum war. Und für diesen Aussenraum habe ich diesen Vorschlag dieser Wasserskulptur gemacht. Ich hatte diese Skulptur nicht schon vorher und habe diese bei der Kantonsschule Büelrain platziert. Sondern ich habe für diesen Ort diese Arbeit entwickelt, genau mit diesen Leitgedanken, wie du sie geschildert hast, mit dem farbigen, neon-starken Plexiglas. Es ist übrigens eine Plexiglasverarbeitung, die höchste technologische Anforderungen erfüllen musste, und die man so nicht einfach herstellen kann. Ich konnte dies mit einer Firma in Österreich entwickeln, die normalerweise so riesige Meeresaquarien herstellt und deshalb ganz dicke Plexigläser miteinander verschweissen kann. Was ein sehr anspruchsvoller Prozess ist. Diese Arbeit ist also ganz spezifisch für diesen Ort entwickelt worden, auf dieser schiefen Ebene nochmals einen schiefen, abgekippten Würfel, wo das Wasser über die Kante ausfliesst. Und das Wasser, welches auch zu dieser Statik des neuen Gebäudes eine gewisse Dynamik einbringen soll.
CORRIE: Auch spannend zu wissen, neben der Farbe an sich, ist die Form. Weil wir sind hier umgeben nur von Quadern oder Rechtecken. Und dies ist nun ein Würfel, der auch mit beiden Ecken zur Turnhalle und zum Schulhaus zeigt. Also schräg, und nicht wirklich in einer Linie mit den Gebäuden. Und mich nimmt es Wunder, wie man genau darauf gekommen ist.
CHRISTOPH HEARLE: Zur Form: der Würfel hat damit zu tun, dass ich versucht habe, eine Thematik, die in der Bildhauerei immer eine Rolle spielt, nämlich das Volumen und der Körper in einem Werk quasi sichtbar zu machen. Mit der Durchsichtigkeit des Materials spürt man das Volumen; durch das starke Strahlen dieser Plexiglaswänden spürt man die Körperlichkeit vom Ganzen. Und es stimmt, es ist ein Würfel mit einer Kantenlänge von etwa zwei auf zwei Metern. Und von da her ist ein zentrales Thema, Form und Inhalt im weitesten Sinne, im geistigen wie aber auch im physischen Sinne, in dieser Skulptur thematisiert.
Abschliessend möchte ich sagen, Corrie, du hast diese Arbeit sehr gut beobachtet. Du hast die Themen herausgearbeitet, die für mich auch eine Rolle gespielt haben. Die Beziehung zwischen den beiden Gebäuden, eine dynamische Antwort auf die Statik des Erscheinungsbilds von den Gebäuden rund herum; die Sprache eigentlich in der Sprache der Orthogonalität, aber mit dem Auskippen eben eine Dynamisierung des ganzen Themas; und dann einen starken Farbakzent in der doch relativ grau in grau gehaltenen Landschaft.
Ich gratuliere dir zur Art und Weise, wie du diese Arbeit beobachtet hast und wünsche dir weiterhin alles Gute.
Ciao Corrie!
°°
ART'S COOL oder "Art is cool"!
Dies ist eine Begegnung mit einem zeitgenössischen Kunstwerk in der Schweiz, betrachtet, erkundet, und hinterfragt von jungen Menschen. Auf die Fragen der Jugendlichen geben wiederum die Künstlerin oder der Künstler auf ihre Weise eine Antwort. Ganz einfach, nicht?
In dieser zweiten Saison lädt unser Podcast dich ein, Werke ausserhalb der üblichen Ausstellungsorte zu besuchen, meistens im Freien! Fast jede Woche entdecken wir gemeinsam eine künstlerische Schöpfung, die irgendwo in der Schweiz im öffentlichen Raum zu finden ist.
Heute ging es um "Bei Rebekka" von Christoph Haerle, untersucht vom neugierigen Blick von Corrie. Verpasse nicht, das Kunstwerk in Wirklichkeit selber zu entdecken, und zwar vor dem Neubau der Kantonsschule Büelrain an der Rosenstrasse 1 in Winterthur.
Sammle zeitgenössische Kunst mit deinen Ohren! Die Webseite artscool.ch/de präsentiert alle Episoden, die seit Herbst 2021 ausgestrahlt wurden. Eine vielfältige und wachsende Sammlung! Ausserdem findest du dort alle Portraits der jugendlichen Fans der zeitgenössischen Kunst, die Kurzbiographien der interviewten Künstlerinnen und Künstler und die Bilder der Werke.
Falls du zur Verbreitung des Podcasts ART’S COOL beitragen möchtest, zögere nicht… in deinem Umfeld darüber zu sprechen, den Podcast auf deiner bevorzugten Plattform zu abonnieren und mit fünf Sternen zu bewerten. Du kannst uns auch auf Instagram folgen unter dem Account young_pods.
Der Podcast ART’S COOL wird realisiert und ausgestrahlt mit der grosszügigen Unterstützung der Loterie Romande, dem Migros-Kulturprozent, der Oertli-Stiftung, der Sandoz-Familienstiftung, den Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Bern, Genf, Glarus, Graubünden, Obwalden, Sankt Gallen, Solothurn, Thurgau, Waadt, Wallis, Zug, Zürich, und den Städten Winterthur, Yverdon-les-bains, Zug und Zürich.
Mit der Stimme von Florence Grivel in der französischen Version und Stephan Kyburz in der deutschen Version.
Musik and Sounddesign von Christophe Gonet.
Dies ist eine Produktion Young Pods.