Hallo zusammen, mein Name ist Aisha, ich bin 16 Jahre alt und ich komme aus Domat/Ems.
Kunst für mich ist eine Art, seine Gefühle auszudrücken.
Heute habe ich eine Begegnung mit einem Kunstwerk von Chris Hunter in Chur. Kommt ihr auch mit?
AISHA: Wir sind hier vor der Bündner Kantonsschule vor der Mensa, mit einem Pingpongtisch und in der Nähe eines Kraftwerks. Jetzt suchen wir zusammen das Kunstwerk von Chris Hunter.
Zuerst gehen wir ins Untergeschoss, den ersten Teil des Kunstwerks anschauen.
Hier ist eine kleine Tafel, auf welcher gross “Ahnung” draufsteht. Das ist wie ein Türschild, neben der Türe. Und es sieht so aus, als würde es zum Zimmer gehören. Und dann gibt es hier Abkürzungen, zum Beispiel ZW für Zukunftswerkstatt, das D für Dehnung zwischen der Wörtern, TBK Tuten, Blasen und Knotentechnik, GU Geschichten und Umwege, A offenes Atelier.
Der zweite Teil befindet sich im Lift, und den gehen wir jetzt anschauen.
Hier im Lift hat es diese Liftbeschreibungen, das Liftschild. Und beim untersten steht “Ahnung”, Stockwerk “Ahnung”.
Hier im letzten Stockwerk sehen wir viele Kunstwerke in einem Glasgefäss. Es hat zum Beispiel hier den Pfefferstreuer mit den Pfefferkörnern und ein klassisches Buch mit Noten drin. Und eine Gitarre mit Fäden daran.
Der letzte Teil des Werks befindet sich hier bei der Mediothek. Und es ist ein grosser Spickzettel mit vielen Wörtern darauf. Es ist kein gewöhnlicher Spickzettel. Also der Spickzettel ist ganz gross an der Wand, also es ist eine ganze Wand. Ein paar Wörter sind markiert, zum Beispiel die “Motivation” oder “Selbstvertrauen”. Es hat auch Zeichnungen darauf. Also eine in der Mitte, und diese Zeichnung ist angemalt mit Orange, Pink, Blau und Gelb.
Dies ist das Kunstwerk “Morgen habe ich wieder Ahnung” von Chris Hunter und es befindet sich in der Mensa und der Mediothek der Bündner Kantonsschule. Das Kunstwerk ist 2018 realisiert worden. Das Kunstwerk besteht aus vier Teilen: es hat einen Stundenplan, eine Türbeschriftung und Exponaten von Sonja Feldmeier, Hans-Peter Litscher, Florian Graf, Lysann König, Fränzi Madörin, und Lutz Guggisberg. Und es hat auch noch einen grossen Spickzettel.
Jetzt habe ich noch ein paar Fragen an Chris Hunter.
CHRIS HUNTER: Ciao Aisha, hier ist Chris Hunter. Schön, können wir über diese Arbeit sprechen an der Kantonsschule in Chur. Und schön, hast du diese ausgewählt oder entdeckt, weil es ist ja nicht eine Arbeit, die man auf den ersten Augenblick entdeckt als Kunstwerk in einem Schulhaus oder an einem Schulhaus.
AISHA: Warum hat es das Wort “Ahnung” im Titel? Und hat dies etwas mit der Schule zu tun?
CHRIS HUNTER: Die Arbeit heisst ja “Morgen habe ich wieder Ahnung”. Also das spielt natürlich auf den Schulalltag an, wo man sagt, morgen habe ich wieder Mathematik, oder morgen habe ich wieder Biologie oder Turnen. Also man sagt, was für ein Schulfach man hat. Das ist schon ein Hinweis darauf, dass Ahnung eben auch ein Schulfach ist. Aber es ist natürlich auch ein Wortspiel damit, dass man sagt: “Ich habe keine Ahnung von dem.” Oder vor einer Prüfung “Ich habe keine Ahnung von diesem Thema”. Und in diesem Fall hat man eben eine Ahnung. Und Ahnung ist für mich in dem Titel und in der Schule eigentlich ein wichtiger Begriff. Schulfächer sind immer so ganz klar, also man weiss, um was es geht. Es gibt Bücher mit Fakten dazu. Teilweise muss man auswendig lernen. Und Ahnung ist eben wie ein Gegenteil. Also bei Ahnung hat so ein bisschen eine Idee von etwas, was dort sein könnte. Aber es ist doch nicht so ganz klar.
AISHA: Was sagt das ganze Kunstwerk eigentlich aus?
CHRIS HUNTER: Und dies ist etwas, das ich doch ganz wichtig finde auch eben gerade für die Zeit nach der Schule, dass man so einer Ahnung nachgeht und dem vertraut, dass hinter dieser Idee etwas Interessantes und Wichtiges liegen kann. Und wenn ich mich zurückerinnere an meine Zeit an der Kanti in Chur – ich bin auch dort zur Schule –, wenn ich mich erinnere, das ich gelernt habe, das ich mitnehme konnte bis jetzt, und Dinge, die ich nicht einfach vergessen habe, weil ich sie nur mal schnell auswendig gelernt habe für eine Prüfung, sind dies weniger Inhalte sondern Kompetenzen. Und eine Kompetenz ist eben auch für den Rest des Lebens, die man brauchen kann: wie kann ich überhaupt etwas lernen? Wo finde ich meine Interessen? Und dies ist etwas ganz Wichtiges in der Schule, aber dafür gibt es eben kein explizites Fach. Und darum habe ich das Fach “Ahnung” erfunden. Und dies hat auch damit zu tun, dass man sich selber kennenlernt, herausfindet, was man interessant findet, wie man etwas lernt, wie man etwas verfolgt. Darum fand ich es auch passend, dass es eine mehrteilige Arbeit ist, die verteilt ist im Gebäude, die auch nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Dass man auch dort, je öfter man daran vorbei geht, dies entdeckt und darüber nachdenkt, und dass es etwas Zeit braucht, bis man die Zusammenhänge aufspürt.
AISHA: Wieso ist das eine Kunstwerk als Türbeschriftung dargestellt?
CHRIS HUNTER: Du hast ja zuerst von der Türbeschriftung gesprochen. Die ist, wie du gesagt hast, im Untergeschoss neben einer Türe, die immer verschlossen ist. Und dies ist eine Türbeschriftung wie bei anderen Schulzimmern in der Kantonsschule auch, wo das Fach steht, es steht “Ahnung” und dann hat es einen Stundenplan darunter mit den verschiedenen Unterfächer oder Workshops, könnte man auch sagen, die es in dem Fach gibt. Also auch dieses Schulzimmer ist nur eine Ahnung, es existiert nur in der Vorstellung.
AISHA: Und haben diese vier Teile einen Zusammenhang oder nicht?
CHRIS HUNTER: Und die anderen Teile der Arbeit haben auch alle mit dem zu tun. Also es gibt die Vitrine im ersten Obergeschoss, die du erwähnt hast. Und diese Vitrine sieht so ein bisschen aus wie eine Vitrine für Anschauungsmaterialien in einem anderen Fach. Also wenn dies für die Biologie wäre, wäre dort drin vielleicht eine ausgestopfte Eule oder in Geographie wären verschiedene Kristalle oder so dort drin. Und dies ist nun die Vitrine für “Ahnung”.
AISHA: Warum sind ander Künstler*innen in deinem Kunstwerk dabei?
CHRIS HUNTER: Dafür habe ich andere Künstler und Künstlerinnen eingeladen, mir ein Objekt herzustellen für dieses Schulfach. Also ich habe ihnen gesagt, um was es mir in diesem Schulfach geht. Und die sechs verschiedenen Künstler*innen haben eine Arbeit dazu gemacht. Das ist eine Arbeit von Lutz Guggisberg, so ein verkohlter Vogel. Dann von Lysann König ein Glasmodell, von Florian Graf die Pfeffermühle mit den Pfefferkörnern aussen dran, statt innen drin. Dann von Hans-Peter Litscher die Noten mit einer bestimmten Textstelle, die auf Ahnung hinweist. Und dann von Fränzi Madörin eine Textilarbeit, und dann noch von Sonja Feldmeier die Gitarre mit den künstlichen Fingernägeln und den geflochtenen Fäden dran. Und dies sind auch nicht Objekte, die ganz klar erklären, was Ahnung ist, weil eine Ahnung bleibt immer eine Ahnung, eine Idee, bei der man sich selber ein Bild machen kann, was ist dies für mich.
Dann gibt es im Lift noch den kleinsten Teil von dieser Arbeit, der, wie du gesagt hast, ein Schild, auf dem Ahnung draufsteht, damit man weiss auf welchem Stockwerk man ist. Und in diesem Fall ist es das Stockwerk, wo man nur mit einem Schlüssel hinkommt. Also dies ist wie ein weiteres Rätsel. Also es hat zwar einen Weg in dieses Stockwerk, aber wenn man den Schlüssel nicht hat, findet man es auch nicht.
AISHA: Sind die Wörter auf dem Spickzettel willkürlich ausgesucht worden oder hat dies einen Bezug zum Künstler?
CHRIS HUNTER: Der grösste Teil ist der Spickzettel, und der ist beim Kopierapparat deponiert. Und beim darüber Nachdenken, was ich machen könnte für diese Schule, war ich auch in der Kantonsschule unterwegs und habe beim Kopierapparat Vorlagen gefunden von Spickzetteln, die Schülerinnen und Schüler gemacht hatten. Ich habe dann gedacht, ich könnte für dieses Schulfach auch einen Spickzettel machen. Und dann gross vergrössern und als Tapete an der Wand anbringen. Und diese Begriffe auf dem Zettel sind auch Dinge, die für mich wichtig sind für die persönliche Entwicklung in der Schule, in diesem Lebensabschnitt, das ist ja ohnehin ein wichtiger Lebensabschnitt, bei dem nicht nur die Schule im Mittelpunkt steht, sondern auch ganz viel anderes. Und solche Begriffe findet man auf dem Zettel. Also eben “Motivation”, “Forscherdrang”, Dinge, die man vielleicht schon mit der Schule in Verbindung bringt, aber auch Dinge, die ein bisschen entfernter sind. Zum Beispiel “Produktiver Umweg”, also dass wenn man mal nicht direkt auf die Lösung kommt, dass man auf den Umwegen vielleicht ganz andere interessante Sachen entdeckt. “Zweifel”, dies ist auch ein Teil vom Weiterkommen, “Geduld” und “Neugierde” und viele andere Sachen.
Diese vier Teile von meiner Arbeit ergeben als ganzes Hinweise auf dieses Schulfach “Ahnung”, dass es existiert in der Kantonsschule in Chur. Auch wenn ich dieses einfach erfunden habe für dieses Fach.
Ich hoffe, dies hat dir geholfen bei deinen Fragen und ich wünsche dir, dass du vielleicht auch mal nur einem Gefühl oder einer Ahnung folgst, auf einem Weg irgendwo hin. Und auch wenn dieser Weg vielleicht ein Umweg ist, manchmal der interessantere oder produktivere Weg ist. In diesem Sinne: alles Gute und einen schönen Sommer!
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"ART'S COOL" oder "Art is cool"!
Dies ist eine Begegnung mit einem zeitgenössischen Kunstwerk in der Schweiz, betrachtet, erkundet, und hinterfragt von jungen Menschen. Auf die Fragen der Jugendlichen geben wiederum die Künstlerin oder der Künstler auf ihre Weise eine Antwort. Ganz einfach, nicht?
In dieser zweiten Saison lädt unser Podcast dich ein, Werke ausserhalb der üblichen Ausstellungsorte zu besuchen, meistens im Freien! Fast jede Woche entdecken wir gemeinsam eine künstlerische Schöpfung, die irgendwo in der Schweiz im öffentlichen Raum zu finden ist.
Heute ging es um "Morgen habe ich wieder Ahnung" von Chris Hunter, untersucht vom neugierigen Blick von Aisha. Verpasse nicht, das Kunstwerk in Wirklichkeit selber zu entdecken, und zwar in Chur bei der Mensa und der Mediathek der Bündner Kantonsschule.
Sammle zeitgenössische Kunst mit deinen Ohren! Die Webseite artscool.ch/de präsentiert alle Episoden, die seit Herbst 2021 ausgestrahlt wurden. Eine vielfältige und wachsende Sammlung! Ausserdem findest du dort alle Portraits der jugendlichen Fans der zeitgenössischen Kunst, die Kurzbiographien der interviewten Künstlerinnen und Künstler und die Bilder der Werke.
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Mit der Stimme von Florence Grivel in der französischen Version und Stephan Kyburz in der deutschen Version.
Musik and Sounddesign von Christophe Gonet.
Dies ist eine Produktion Young Pods.