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Madleina & Nina Heinzel

Primarschulhaus Länggasse / Muesmatt, Bern: Madleina hat ein Rendezvous mit dem Werk "Einsteins Gehirn" von Nina Heinzel. Sie fragt sich, ob das gesamte Wissen aller Schülerinnen und Schüler dort gespeichert ist.
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MINIPORTRÄT DER / DES JUGENDLICHEN

Name: Madleina
Alter: 14 Jahre

Deine/Ihre Lieblingszeit? Sommermorgen und Sommerabende.
Was ist der Duft der Freude? Der Duft meiner frisch gewaschenen Haare.
Was ist dein/Ihr Lieblingsversteck? Ich habe kein spezifisches Versteck, aber ich bleibe am Morgen gerne unter der Decke.

 

MINIPORTRÄT DER / DES JUGENDLICHEN

Name: Madleina
Alter: 14 Jahre

Deine/Ihre Lieblingszeit? Sommermorgen und Sommerabende.
Was ist der Duft der Freude? Der Duft meiner frisch gewaschenen Haare.
Was ist dein/Ihr Lieblingsversteck? Ich habe kein spezifisches Versteck, aber ich bleibe am Morgen gerne unter der Decke.

 

MINIPORTRÄT DES KÜNSTLERS / DER KÜNSTLERIN

Name: Nina Heinzel
Geburtsjahr: (*1976)

Deine/Ihre Lieblingszeit? Die blaue Stunde kurz nach Sonnenuntergang, wenn sich der Himmel tiefblau färbt.
Was ist der Duft der Freude? Espresso. Das ist zwar etwas banal, aber Freude im Alltag ist wichtig!
Was ist dein/Ihr Lieblingsversteck? Hinter einer Düne.

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Nina Heinzel, "Einsteins Gehirn", 2014 © Kunst am Bau Projekt Bern

Künstler*in: Nina Heinzel (*1976)
Titel des Werks: Einsteins Gehirn
Jahr: 2014
Technik: Skulptur, Bronze, Originalnachbildung von Albert Einsteins Gehirn in 3-facher Grösse.
Dimensionen:

Ausstellungsort: Primarschulhaus Länggasse / Muesmatt, Bern

MINIPORTRÄT DES KÜNSTLERS / DER KÜNSTLERIN

Name: Nina Heinzel
Geburtsjahr: (*1976)

Deine/Ihre Lieblingszeit? Die blaue Stunde kurz nach Sonnenuntergang, wenn sich der Himmel tiefblau färbt.
Was ist der Duft der Freude? Espresso. Das ist zwar etwas banal, aber Freude im Alltag ist wichtig!
Was ist dein/Ihr Lieblingsversteck? Hinter einer Düne.

Transkript der Episode

 

Hallo zusammen, ich bin Madleina, ich bin 14 Jahre alt, in der achten Klasse, und ich komme aus Bern.

 

Kunst ist für mich etwas Tolles, weil es sowohl beim Machen, also für die Kunstschaffenden, als auch für mich als Betrachterin, kein Richtig und kein Falsch.

 

Ich habe heute ein Rendezvous mit einem Kunstwerk von Nina Heinzel.

Kommt ihr auch mit?

 

MADLEINA: Ich bin hier im Länggassquartier, wo ich mit dem Bus hingekommen bin. Jetzt werde ich gleich das Kunstwerk anschauen gehen beim Primarschulhaus Länggasse. Ich stehe hier auf einem Trottoir, rund herum gibt es viele Häuser, es ist schön grün und ziemlich ruhig, das heisst es fahren keine Autos durch. Und es ist eine etwas meditative Stimmung. Ich gehe jetzt das Kunstwerk suchen.

Ich habe jetzt gerade das Kunstwerk gefunden: und zwar ist es ein Gehirn, das auf dem Dach der Primarschule ist. Das Schulhaus ist ziemlich gross und vor allem sehr breit, und mittem auf dem Dach, genau in der Mitte gibt es ein metallisch-glänzendes Gehirn angebracht. Obwohl ein Gehirn auf einem Dach doch eher etwas Unkonventionelles ist, empfinde ich es eigentlich gar nicht als störend, weil es eher aussieht wie eine Dekoration, besonders weil es sehr harmonisch einfach da steht. Und es lässt mich gar nicht hinterfragen, wer hier ein Gehirn aufs Dach stellt, weil es passt total gut zu einer Schule. Bei einer Schule denkt man ja auch an ein Gehirn, und das Gehirn ist ja ganz oben im Kopf.

Ich frage mich gerade, ob das Gehirn das gesammelte Wissen an die Schülerinnen und Schüler weitergibt, oder ob das gesammelte Wissen der Schülerinnen und Schüler zurück ins Gehirn geht und dort gespeichert wird. Ich finde es faszinierend, wie sich das Gehirn so gut einfügt und es sieht so aus als wäre es einfach ein Teil der Schule.

Das Werk heisst “Einsteins Gehirn” und es ist von Nina Heinzel. Es wurde 2014 realisiert. Es steht auf dem Dach der Primarschule Länggasse im Länggassquartier in Bern. Die Skulptur ist eine Nachbildung von Einsteins Gehirn in dreifacher Grösse. Es ist aus Bronze gemacht.

Jetzt würde ich der Künstlerin Nina Heinzel noch gerne einige Fragen stellen.

NINA HEINZEL: Liebe Madleina, es war mir eine richtige Freude gerade deine Beschreibung und deine Gedanken zum “Einsteins Gehirn” zu hören und ich beantworte jetzt sehr gerne deine Fragen dazu.

MADLEINA: Hat dies etwas mit der Aussage des Kunstwerks zu tun, dass das Gehirn genau auf einer Primarschule angebracht ist. Hatte die Primarschule Länggasse etwas mit der Realisierung des Projekts, also des Kunstwerks, zu tun? Oder wurde es einfach irgendwo platziert?

NINA HEINZEL: Ich habe das Gehirn damals 2014 für die Primarschule entworfen und realisiert. Es gab damals die grossen Renovierungsarbeiten 2013 und in dem Rahmen wurde auch eine Kunstausschreibung gemacht. Da hatte die Schule damit zu tun und die Stadt, und die haben einige Künstler*innen eingeladen, Vorschläge zu machen, mit welchen Kunstwerken man denn diese Schule bereichern könnte – eine sehr grosse Verantwortung für einen Künstler, denn von da an haben die Schüler ja täglich mit diesem Kunstwerk zu tun und haben es über Jahre täglich vor Augen.

Für den Ideenfindsungsprozess habe ich mich dann auf den Schulhof begeben, habe mich dort hingesetzt und einen Tag verbracht und habe auch geschaut, wie kommt die Sonne rum, wie fühlt sich das an, hier Zeit auf dem Schulhof zu verbringen. Und dann gibt es diesen wunderbaren Moment, wenn sich eine Idee ankündigt. Da wird es einem fast ein bisschen warm ums Hirn, der Bauch kribbelt leicht. Und irgendwie arbeiten Bauch und Hirn in diesem Moment ganz von alleine zusammen. Und dann muss man diese Idee irgendwie zu fassen bekommen , das ist ein ganz fragiler Moment, vielleicht vergleichbar mit Träumen, wenn man morgens aufwacht, und man hat noch das Gefühl von einem Traum, den man gerade hatte und man versucht nochmals darüber nachzudenken, was es denn war, gehts einem manchmal verloren, wenn man zu fest daran denkt. Und manchmal findet sich dieser Traum auch in Worten und im Kopf wieder. So ist es auch manchmal mit einer Idee, man hat diese Ahnung und es tut sich etwas auf und dann muss man sie richtig zu fassen bekommen. Und mit dem Gehirn erging es mir so. Da hatte ich so ein gutes Gefühl plötzlich, dass es genau das auf der Schule sein müsste, dass es eben nicht nur irgendein Gehirn ist, sondern gerade das von Einstein.

Und ich finde du hast das wunderschön beschrieben, diese Wechselwirkung, die es wahrscheinlich hat. Du hast gefragt: sind es die vielen Gehirne, die jetzt das gesammelte Wissen, was eingeht, oder strahlt das Gehirn auf die Schüler aus? Ich denke es ist sicher beides, es ist diese Wechselwirkung. Diese gesammten Schülerhirne gehen auch in das Einsteingehirn ein. Und Einstein strahlt auch mit seiner grossen Persönlichkeit aus auf die Schüler.

MADLEINA: Ist das Material bewusst gewählt worden oder ist es einfach besonders wetterfest?

NINA HEINZEL: Das Gehirn ist aus Bronze. Das ist ein ganz klassisches Material für Skulpturen. Du hattest ja den Eindruck, dass es sich auf den ersten Blick ganz harmonisch einfügt, weil solche Turmkugeln ja auch auf Kirchtürmen zu finden sind. Das kennt man. Aber im zweiten Moment denkt man dann nur ein Gehirn, das ist ja schon eher die Ausnahme auf einem Dach. Wobei auch das irgendwo schlüssig ist, das Dackstübchen sagt man ja auch es ist der Kopf von einem Gebäude. Auch die Bibliothek ist untergebracht unter dem Dach, auch das ist ganz stimmig. Und doch ist jetzt ein Gehirn, das Bild was man von einer Schule haben möchte? Ist es wirklich nur das Gehirn, was die Schüler ausmacht und was geschult werden soll? Man wünscht sich ja schon, dass auch der ganze Mensch geschult wird, und die ganze Persönlichkeit gefestigt wieder aus dieser ganzen Schulzeit hervorgeht. Insofern darf man auch darüber nachdenken, ob ein Gehirn dann überhaupt das richtige Bild für eine Schule ist. Oder da nicht viel mehr oben, auch ein ganzes Herz zu sehen sein dürfte.

Aber was ich so mag an dieser ganzen Geschichte von Einsteins Gehirn, die ich kurz erzählen muss, weil sie wahnsinnig spannend ist. Es war so: Einstein ist gestorben und sein Wunsch war, verbrannt zu werden nach seinem Tod. Allerdings war sein Pathologe auch sein zu Lebzeiten bester Freund und der hat es einfach nicht übers Herz gebracht, dieses grosse Gehirn zu verbrennen, weil er gedacht hat, man muss doch dieses für die Wissenschaft aufbewahren und herausfinden, wie kann es sein, dass dieser Mann so tolle Gedanken hatte und wollte dahinter kommen. Er hat also das Gehirn geklaut, er hat es entnommen, in zwei Einweggläser gepackt, und ist damit geflohen. Ist damit jahrelang durch Amerika gefahren mit diesem Gehirn im Kofferraum; hat natürlich seine Approbation verloren, durfte nicht mehr als Arzt praktizieren und ist zu Kollegen gefahren, hat denen dieses Gehirn vorgelegt und man wollte es erforschen. Auch er hat selber versucht. Was aber rauskam: Nein, es ist ein Gehirn wie jedes andere. Es war nicht besonders gross, nicht besonders klein, ein bisschen rundlich vielleicht. Aber man kann dieses Genie nicht in diesem Organ ausmachen. Man kann das Geheimnis nicht lüften mit einem Skalpell.

Und da sind wir auch wieder bei der Turmkugel, auf den Kirchtürmen. Die Turmkugeln tragen ja oft ein Geheimnis in sich. Die haben eine kleine Botschaft, irgendwas eingeschlossen in dieser Kugel, die für irgendwann in der Zukunft vielleicht nochmal geöffnet wird und irgendeine Nachricht haben. Allerdings Einsteins Gehirn hat dieses Geheimnis, aber es lässt sich nicht lüften. Es lässt sich eben nicht aufschneiden und man weiss was drin ist. Das mag ich so an diesem Gehirn. Es ist einfach ein Gehirn, wie jedes andere. Es könnte auch das eines jeden Schülers sein. Und man muss wissen, dass es Einsteins Gehirn ist. Ohne dieses Wissen ist es auch einfach ein normales Gehirn.

Ich habe jetzt diese Aufzeichnung von dem Gehirn, weil eben dieser Pathologe dieses Gehirn geklaut hat. Der hat es dann mit 85 Jahren – er wusste nicht wohin damit – hat es dann der Enkeltochter von Einstein zurückgegeben. Auch die wusste nicht wohin mit dem Gehirn von Opa und hat es dann einem Museum zur Verfügung gestellt. Deshalb hat man diese Daten. Es ist dann gescannt worden. Und anhand dieser Daten habe ich dann einen 3D-Druck erstellen lassen vom Gehirn. Und davon wurde dann ein Abguss gemacht, und so ist die Bronze-Plastik entstanden. Ich glaube es ist tatsächlich dieses weltweit erste Gehirn von Einstein, was man so visualisiert hat.

Und ich finde es besonders schön, dass die Primarschüler jetzt dieses Gehirn haben und dass es nicht die Uni ist und die grossen Denker. Sondern es sind die Kinder, und die können wirklich noch alles Wissen dieser Welt gebrauchen und haben alle Möglichkeiten vor sich.

MADLEINA: Und ist das Hirn irgendeine Repräsentation der Schule oder ist es sogar ein Markenzeichen dieser Schule? Diese Schule braucht dies vielleicht?

NINA HEINZEL: Ob das Gehirn eine Art Markenzeichen sein könnte für die Schule, das überlasse ich ganz alleine den Schülerinnen und Schülern. Ich hab damals bei der Installation des Gehirns darauf verzichtet, eine Erklärung anzubringen. Hab stattdessen eine Rede gehalten zur Eröffnungsfeier und den Schülern erzählt, was es damit auf sich hat. Und von da an ist es ihr Gehirn, ihre Geschichten, ihr Erzählen tragen dazu bei, dass das Wissen beibehalten wird. Vielleicht verändern und verselbständigen sich die Geschichten auch, das ist natürlich auch erlaubt. Manche Teile der Geschichte werden vielleicht etwas mehr ausgedehnt, und da sind wir schon fast wieder bei der Relativitätstheorie: auch die Zeit, finde ich, ist auf einem Schulhof unglaublich relativ. Manche Schulstunden sind länger als andere. Wir kennen das. Die Sommerferien scheinen uns am Anfang schön lang zu sein und am Ende sind sie schwupps schon vorbei. Ich glaube ja, der Pathologe Thomas Harvey hat das Gehirn all die Jahre gar nicht für die Wissenschaft aufbewahrt, sondern eigentlich für die Kunst. Und für all die Schülerinnen und Schüler der Länggasse.

So merci vielmals, liebe Madleina fürs Zuhören, für dein Interesse. Bewahre dir deinen offenen Blick und deine Liebe für die Kunst. Ich wünsche dir alles Gute.

 

°°

"ART'S COOL" oder "Art is cool"!

Dies ist eine Begegnung mit einem zeitgenössischen Kunstwerk in der Schweiz, betrachtet, erkundet, und hinterfragt von jungen Menschen. Auf die Fragen der Jugendlichen geben wiederum die Künstlerin oder der Künstler auf ihre Weise eine Antwort. Ganz einfach, nicht?

In dieser zweiten Saison lädt unser Podcast dich ein, Werke ausserhalb der üblichen Ausstellungsorte zu besuchen, meistens im Freien! Fast jede Woche entdecken wir gemeinsam eine künstlerische Schöpfung, die irgendwo in der Schweiz im öffentlichen Raum zu finden ist.

Heute ging es um Einsteins Gehirn von Nina Heinzel, ntersucht vom neugierigem Blick von Madleina. Verpasse nicht, das Kunstwerk in Wirklichkeit selber zu entdecken, und zwar in Bern beim Grossen Länggassschulhaus / Muesmatt.

Sammle zeitgenössische Kunst mit deinen Ohren! Die Webseite artscool.ch/de präsentiert alle Episoden, die seit Herbst 2021 ausgestrahlt wurden. Eine vielfältige und wachsende Sammlung! Ausserdem findest du dort alle Portraits der jugendlichen Fans der zeitgenössischen Kunst, die Kurzbiographien der interviewten Künstlerinnen und Künstler und die Bilder der Werke.

Falls du zur Verbreitung des Podcasts ART’S COOL beitragen möchtest, zögere nicht… in deinem Umfeld darüber zu sprechen, den Podcast auf deiner bevorzugten Plattform zu abonnieren und mit fünf Sternen zu bewerten. Du kannst uns auch auf Instagram folgen unter dem Account young_pods.

Der Podcast ART’S COOL wird realisiert und ausgestrahlt mit der grosszügigen Unterstützung der Loterie Romande, dem Migros-Kulturprozent, der Oertli-Stiftung, der Sandoz-Familienstiftung, den Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Bern, Genf, Glarus, Graubünden, Obwalden, Sankt Gallen, Solothurn, Thurgau, Waadt, Wallis, Zug, Zürich, und den Städten Winterthur, Yverdon-les-bains, Zug und Zürich.

Mit der Stimme von Florence Grivel in der französischen Version und Stephan Kyburz in der deutschen Version.
Musik and Sounddesign von Christophe Gonet.

Dies ist eine Produktion Young Pods.