Hoi zusammen, mein Name ist Armando, ich bin fünfzehn Jahre alt und ich komme aus Baar.
Kunst ist für mich etwas sehr Grenzenloses, das man in verschiedenen Bereichen antreffen kann, und auch wenn man nichts erzählen muss, kann man recht viel damit ausdrücken.
Heute habe ich eine Begegnung mit einem Kunstwerk in der Stadt Zug.
Kommt ihr auch mit?
Wir sind jetzt gerade von der Altstadt hinunter zum See gegangen, zur Vogelvoliere und suchen nun das Regierungsgebäude.
Geradeaus sehen wir den See mit ein paar Booten, es ist etwas windig, etwas kühl. Das Regierungsgebäude ist auf unserer rechten Seite. Und das Kunstwerk sollte im Garten sein.
Wir befinden uns jetzt im Garten. Wir sehen einige Bäume. Das Kunstwerk sieht man schon von weitem. Es ist ein runder Kreis, der aufgeteilt ist in vier Sektoren. Also der Kreis mit der Oberfläche als Spiegel ist sehr hell, dadurch dass es ein bewölkter Tag ist. Also im Spiegel sehe ich den Baum, der gerade links von uns steht, und einen hinter uns. Es ist etwas komisch, wenn man hinunterschaut und dann einfach sich selbst sieht.
Also auf mich hat der Spiegel eine enorm krasse Wirkung, weil wenn man sich über ihn lehnt, dann ist das wie eine andere Welt, obwohl es einfach eine Spiegelung ist, von dem, was über einem liegt. Man könnte fast hineinfallen. Es sieht so aus wie ein Loch im Boden, obwohl eigentlich gar kein Loch vorhanden ist.
Das Kunstwerk ist das Pièce d’Eau von Daniela Schönbächler. Das Werk befindet sich im Garten des Regierungsgebäudes im Kanton Zug, an der Seestrasse 2. Das Werk ist 2021 realisiert worden. Es ist eine Installation von vier Spiegelsegmenten. Das Werk hat einen Durchmesser von 3.8 Metern.
Ich habe nun noch einige Fragen an Daniela Schönbächler.
DANIELA SCHÖNBÄCHLER: Salut Armando! Schön warst du in Zug, um mein Werk Pièce d’Eau im Garten des Regierungsgebäudes zu besichtigen. Und deine Ausdrücke wie “krasse Wirkung, andere Welt, sich hineinfallen lassen”, sind genau die Emotionen, die ich auslösen möchte bei den Betrachtern, wenn sie meine Werke besichtigen.
ARMANDO: Wie kommt man darauf, einen runden Spiegel genau im Garten des Regierungsgebäudes am Boden zu platzieren und nicht, wie üblich, an einer Wand?
DANIELA SCHÖNBÄCHLER: Deine erste Frage, wieso einen Spiegel im Garten am Boden liegt, und nicht an einer Wand hängt im Innenraum, hat bei mir selber auch die Gegenfrage ausgelöst: wieso darf ein Spiegel eigentlich nur in Innenräumen an der Wand hängen? Und dies ist vielleicht auch entstanden, weil ich seit Mitte der 1990er Jahre in Venedig grösstenteils lebe und arbeite. Und dort ist man die ganze Zeit umgeben von Wasser, Kanälen, Reflektionen, Spiegelungen, und so habe ich vor etwa 18 Jahren angefangen, mich mit Spiegeln auseinanderzusetzen und dessen Reflektionsgesetze und habe so angefangen mit Spiegeln zu experimentieren. Als erstes bin ich mit diesen Spiegeln in die Natur hinaus, und habe angefangen diese zu platzieren an Orten, an welchen man dies überhaupt nicht erwartet . Und habe dann gespürt, dass dies ganz andere Sichtweisen auslöst und dies hat mich sehr fasziniert.
ARMANDO: Wieso genau in dieser recht grossen Grösse? Weil dies ist ja nicht so normal für einen solchen Spiegel, den man bei sich zuhause kennt.
DANIELA SCHÖNBÄCHLER: “Pièce d’Eaus” – auf Deutsch “Wasserstück” – sind von Landschaftsarchitekten immer in grossen Pärken installiert worden. Sind nicht tiefe Wasserbecken, meistens eine konkrete Form, entweder rechteckig oder Kreise. Zum Beispiel auch in Versailles hat es ein grosses. Und das waren Spiegelflächen, und man muss sich auch vorstellen, dass es bis ins 14. Jahrhundert keine Spiegel gegeben hat. Ausser eben in ruhigen Wasseroberflächen oder in polierten, kleinen Metallteilen.
Und dies hat mich natürlich inspiriert in diesem Garten des Regierungsgebäudes, das für Zug doch ein wichtiges Gebäude ist, so ein Pièce d’Eau platzieren zu dürfen. Und wenn ich so etwas platziere, dann gehe ich zuerst einmal vor Ort, um zu schauen. Und dies ist nicht einfach so hingelegt, sondern ich mache mir viele Gedanken dazu. Erstens, wo platziere ich es genau. Dann was heisst es, was dort drin reflektiert wird, und dann eben auch die Grösse so zu bestimmen, dass es in diesem Raum, in diesem Aussenraum einen gewissen Effekt geben kann. Ich habe dann beim Regierungsgebäude alles ausgesteckt und bin dann auf die 3.80 Meter gekommen, die für mich gestimmt haben, und auch der Ort der Platzierung ist für mich so perfekt, weil man eben die Bäume im Spiegel gut wahrnehmen kann.
ARMANDO: Bei anderen Kunstwerken, bei welchen man etwas zum Ausdruck bringen kann, oder wo etwas dargestellt ist, sieht man bei diesem Spiegel nur was über einem liegt. Wie kommt es dazu?
DANIELA SCHÖNBÄCHLER: Dass man beim Spiegel nur das sieht, was darüber liegt. Dies ist eine sehr interessante Frage, weil mich dies persönlich auch sehr interessiert, wenn ich im öffentlichen Raum ein Kunstwerk realisiere, dann schenke ich dieses der Öffentlichkeit. Und das heisst für mich auch, dass die Öffentlichkeit, das heisst der Besucher eine Teilkraft wird zusammen mit der Natur. Das heisst, es findet eine Interaktion statt zwischen dem Betrachter und dem Werk. Das Werk musst du dir vorstellen, jedes Mal wenn du es besuchst, sieht es wieder anders aus. Es ist nie gleich, weil das Licht, die Tageszeit, die Jahreszeit, die Himmelfarben, die Himmelstrukturen, die verändern sich ständig. Wenn du darum herum gehst, dann spielt es auch eine Rolle, von welcher Position du hinein schaust, von welchem Winkel. Du siehst immer ein anderes Bild. Und dies ist eigentlich das, was mich sehr interessiert. Dass ich das Werk gebe, und dann der Betrachter etwas weiter entwickelt. Und was auch wichtig ist, dass wenn du dort bist, etwas mitnehmen kannst, dass du persönlich ganz alleine erlebt hast.
ARMANDO: Was ging der Künstlerin selbst durch den Kopf, bei diesem Ort, beim Regierungsgebäude mit einem runden Spiegel in einer enormen Grösse und flach am Boden.
DANIELA SCHÖNBÄCHLER: Ja, ich mache viele Spiegelinstallationen – grosse. Und es geht mir eben darum, dass man die Umgebung, die Natur bewusster wahrnimmt, ein anderes Gefühl erleben kann. Das Gefühl von der Distanz von uns zum Himmel. Das Firmament und die Erde, diese Distanz zu spüren, zu beobachten. Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass ich durch diesen Garten gehe, ich weiss vermutlich gar nicht genau, was dort für Bäume stehen. Sobald ich dies über den Spiegel anschaue, löst dies im Hirn etwas aus, wo ich viel bewusster diese Dinge wahrnehme. Die Leute auch etwas bewusster im Blick werden zu lassen.
Und Armando, ich hoffe, dass meine Erläuterungen dir dieses Werk Pièce d’Eau etwas näher gebracht haben. Und ich wünsche dir alles Gute auf deinem weiteren Lebensweg!
Ich hoffe, dass du viel Kunst besuchen und erleben kannst.
Salut Armando, ciao!
°°
ART'S COOL oder "Art is cool"!
Dies ist eine Begegnung mit einem zeitgenössischen Kunstwerk in der Schweiz, betrachtet, erkundet, und hinterfragt von jungen Menschen. Auf die Fragen der Jugendlichen geben wiederum die Künstlerin oder der Künstler auf ihre Weise eine Antwort. Ganz einfach, nicht?
In dieser zweiten Saison lädt unser Podcast dich ein, Werke ausserhalb der üblichen Ausstellungsorte zu besuchen, meistens im Freien! Fast jede Woche entdecken wir gemeinsam eine künstlerische Schöpfung, die irgendwo in der Schweiz im öffentlichen Raum zu finden ist.
Heute ging es um Pièce d'Eau von Daniela Schönbächler, die von Armandos neugierigem Blick untersucht wird.
Verpassen Sie es nicht, das Werk, um das es in Zug ging, im Garten der Staatskanzlei in natura zu sehen.
Sammle zeitgenössische Kunst mit deinen Ohren! Die Webseite artscool.ch/de präsentiert alle Episoden, die seit Herbst 2021 ausgestrahlt wurden. Eine vielfältige und wachsende Sammlung! Ausserdem findest du dort alle Portraits der jugendlichen Fans der zeitgenössischen Kunst, die Kurzbiographien der interviewten Künstlerinnen und Künstler und die Bilder der Werke.
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Der Podcast ART’S COOL wird realisiert und ausgestrahlt mit der grosszügigen Unterstützung der Loterie Romande, dem Migros-Kulturprozent, der Oertli-Stiftung, der Sandoz-Familienstiftung, den Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Bern, Glarus, Obwalden, Sankt Gallen, Solothurn, Thurgau, Waadt, Zug, Zürich, und den Städten Winterthur, Yverdon-les-bains, Zug und Zürich.
Mit der Stimme von Florence Grivel in der französischen Version und Stephan Kyburz in der deutschen Version.
Musik and Sounddesign von Christophe Gonet.
Dies ist eine Produktion Young Pods.